Lukman Ibrahim - soul_in_progress
Neue Blicke durch alte Löcher - oder -
Kunst, so ein berühmtes Wort Goethes, kommt von Können. Käme es von Wollen, so hat Max Liebermann das pointiert, würde es Wulst heißen. Was das heißt, zeigt das Werk Lukman Ibrahims. 1973 in Syrien geboren, eignete er sich, zunächst in seiner Heimat und ab 1990 dann in Deutschland, die verschiedensten Künste an – Künste in dem doppelten alten Wortsinne der zugleich handwerklichen und schöpferischen Produktion, der in der Emanzipation der freien Künste und dem sich daraus entwickelnden Begriff des Künstlers zum nur Schöpferischen sich verengte. Lukman ist das Handwerkliche, die technische Realisation des Werkes nie nebensächlich, vielmehr ist die innovative Lösung solcher Probleme stets das eine feste Bein, ohne welches auf dem anderen, dem schöpferischen, nicht zu stehen ist.
So sind in dem Ensemble der tanzenden Derwische nicht nur selbst geschaffene, sondern bis in die Details ihrer technischen Ausführung von Lukman Ibrahim durchdachte und gemachte Figuren zu sehen. Die unter ihren Gewändern makellos schönen muslimischen Kämpferinnen, sind in ihren Formen nicht nur Lukmans Imagination entsprungen – wenngleich das natürlich, man stellen es sich vor, Lukman wie einen Pygmalion im Harem erscheinen ließe –, sie verdanken ihre Ausführung auch komplexen produktionstechnischen Überlegungen, deren Probleme Lukman in der Auseinandersetzung mit anderen Künstlern anging, aber erst im Austausch mit Paderborner Wissenschaftlern lösen konnte.
Thematisch stellt sich Lukmans Arbeit immer wieder der Frage nach der Bedeutung von Symbolen und der Möglichkeit ihrer Verschiebung. Wenn der deutsche Bundesadler auch aus Cola-Dosen – wie Lukman beim grassierenden Verschwinden dieses Produkts so viele bekommen konnte, bleibt sein Geheimnis – gebaut werden kann und gebaut wird, verändert sich damit seine Bedeutung. Gewiss, Allusionen von globalem Kapitalismus, wirtschaftlichem
Diese Selbstperspektivierung im Fremden und Fremdperspektivierung im eigenen schließt auch die Doppelnatur des Syrisch-Deutschen in Lukmanns Kunst auf, die verstärkt Motive der islamischen Kultur dem kritischen Blick des syrisch-deutschen Künstlers und so einer immanenten Aufklärung unterwirft. Inspiriert von Rembrandts Gemälde „Die Wache“, das für Lukman den Wachtposten einer barocken, lebensfrohen Welt gegenüber ihren Feinden symbolisiert, überträgt er das Motiv in die islamische Kultur und lässt seine bereits bekannten islamischen Freiheitskämpferinnen in Burka und mit Kalaschnikow Wache stehen vor den Toren der islamischen Welt. Die, so zeigen die drei Varianten, ist innen noch ganz auskleidet mit Jahrtausend alter Tradition und Kunst – symbolisiert durch den persischen Teppich – trägt nach außen unter dem Namen Allahs aber Tod und Zerstörung in die Welt, indem sie sich als Atommacht rüstet. Damit tritt ihr innerer Widerspruch offen zu Tage – wobei die Androhung des Massenmordes im Namen Gottes auch ihre europäische Tradition erinnern lässt.
Gerade in der weiblichen Figuration des islamischen Kampfes wird der Unterdrückungsmechanismus einer dogmatischen islamischen Kultur deutlich. Die männlich dominierte Bedrohung Andersgläubiger erfährt eine Umwertung – zunächst ins Weibliche. Dem schließt sich eine weitere Reflexion an. Die die persische Kultur symbolisierenden Teppiche sind traditionell das Produkt der Frauen und der Kinder. Sie erscheinen damit als die wahren Träger der islamischen Kultur gegenüber den männlichen Kämpfern. Sie sind es dagegen aber, die realpolitisch, nicht am islamischen Kampf teilnehmen, aber die größte Last der westlichen Vergeltung tragen müssen. Indem nun aber der islamische Kampf durch Frauen figuriert wird, legt Lukmans Werk andere Deutungsmuster nahe. Zum einen erscheint der islamische Kampf nicht im Gesicht des hässlichen Terrors, sondern im schamhaft verdeckten Antlitz der schönen Muslimin. Mit der Frau als Kämpferin verändert sich auch das Motiv des Kampfes vom Hass gegen Andersgläubige zur Verteidigung der eigenen Kultur – ohne, dass mit weniger Entschlossenheit zu rechnen wäre. Es ist die wehrhafte Emanzipation der islamischen Kultur von ihrem hässlichen Antlitz im schönen Reich der Kunst, die Lukman hier als Utopie eines anderen Islam vorstellt- eines Islam, indem nicht einzelne Teile unterdrückt werden und der nicht unter der hohlen Maske eines Gottesbegriffes andere bekämpft, sondern seine Kultur entschlossen verteidigt. Diese islamische Kultur ist aber, anders als die dogmatischen Grundsätze der islamischen Terroristen, eine ihre inneren Widersprüche und äußeren Gegensätze offen legende und in diesem Sinne sich aufklärende Kultur.
Auch der Blick aus Lukmans islamischer Perspektive auf die westliche Kultur fällt anders aus. Unterwirft er auf der einen Seite die islamische Kultur einem aufklärenden Reflexionsprozess, gibt er der westlichen Kultur auf der anderen Seite etwas mit, an dem es ihr zu mangeln scheint. Lukmans Symbolverschiebungen, der das Konkrete perspektivierende und sich auf den Betrachter zurückbeugende Blick rückt sein Werk in die Nähe des Mythischen, das mit der Kunst die Möglichkeit einer Erfahrung teilt, das sinnlich Konkrete ins Unendliche aufzuschließen, ohne es, als Einzelnes, unter das Allgemeine zu subsumieren. Lukmans Kunst macht dem Denken damit den Erfahrungsbereich der Theologie wieder zugänglich. Dieses sympathetische Verhältnis von Kunst und Mythos wird ganz konkret in Lukmans Derwischen – sich in Trance tanzenden Figuren, die den mythologischen Ritus in die Kunst spiegeln und so den beiden gemeinsamen Doppelcharakter von Ernst und Spiel fühlbar machen. So teilt Lukman, gegenüber einer Aufklärung des